Eine Existenz am Rande der Unmöglichkeit: Schriftsteller sein

Der arme Poet, der Bücherwurm – elende oder doch zumindest spinnerte Charaktere. Kann man vom Schreiben leben? Vielleicht, oft nicht, wenn ja, meistens schlecht. Muss man verrückt sein, sich für ein Leben als Schriftsteller zu entscheiden? Nein, denn man entscheidet sich nicht. Es ist entschieden. Eine Frage der Notwendigkeit.

Der Teil derer, die allein von den Einkünften ihres Schreibens leben können, ist verschwindend gering. Die meisten werden neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit noch anderen Beschäftigungen nachgehen, um genügend Geld zu verdienen. Und manchmal reicht es eigentlich nicht. Wenn man sich die Durchschnittseinkommen von freiberuflichen Künstlern im allgemeinen und freien Schriftstellern im speziellen ansieht, kommt unweigerlich die Frage auf, wie das überhaupt gehen soll: Miete, Strom, Heizung, Wasser, Nebenkosten, Versicherungen, Infrastruktur (Telefon, Internet, Handy) und Lebenshaltungskosten von einem solchen Einkommen zu bestreiten. Ein eigenes fahrtüchtiges Auto wird da zum Luxusobjekt, vom Urlaub kann man träumen, und an eine Familiengründung ist unter solchen Voraussetzungen nur zu denken, wenn man zu den ganz Waghalsigen gehört –  oder wenn es einfach passiert. Kann ja auch vorkommen.

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Natürlich, es gibt eine Menge Künstlerbiographien, in denen die Protagonisten als arme, aber stilvolle Bohemien oder als vagabundierende mittellose Lebenskünstler gezeichnet werden und das Bild des poetischen Hungerleiders romantisch verklärt wird. Und es mag zutreffen, dass Krisensituationen und Leid den Drang zum künstlerischen Ausdruck befeuern können. Aber es  ist sicher keine Voraussetzung, materielle Entbehrungen erdulden zu müssen, um kreativ zu sein. Wenn es auch solche Schriftstellerinnen und Schriftsteller geben mag, die ein gewisses Maß an Askese zum eigenen Ideal gemacht haben, wird in den meisten Fällen die relative Armut von ernsthaft Schreibenden keine freiwillige Entscheidung sein. Es besteht vielmehr eine Diskrepanz zwischen der vom Einzelnen empfundenen Notwendigkeit, schriftstellerisch tätig zu sein, und der gesellschaftlichen Wertschätzung der auf diese Weise erbrachten Leistung. Das eingangs erwähnte romantisierende Bild vom armen Poeten ist ein Klischee, auf das sich die Gesellschaft gerne zurückzieht, wenn es um die Zahlung für Kulturleistungen, also auch das Schreiben, geht. Schöne Bücher lesen wollen viele, viel bezahlen möchte niemand. Und die Verlage und anderen Literaturverwerter kommen dieser vorherrschenden Mentalität entgegen, indem die Buchpreise in der Regel so niedrig wie möglich kalkuliert werden. Was am Ende pro verkauftem Buch bei der Autorin oder dem Autor ankommt, ist oft verschwindend gering.

Es ist nicht leicht, vom Schreiben zu leben, und der Alltag eines freien Schriftstellers unterscheidet sich stark von der naiven Vorstellung, die sich vielleicht so mancher davon macht. Denn es ist viel Arbeit, oft sehr mühsam und macht nicht immer Spaß. Von den finanziellen Engpässen und Unsicherheiten ganz abgesehen. Betrachtet man den Aufwand an Energie und Zeit im Verhältnis zum finanziellen Ertrag des Ganzen, ist die Existenz als Schriftsteller wohl kaum als Traumjob zu bezeichnen – es sei denn, man sollte es tatsächlich einmal zum Bestseller-Autor und damit zu einer herausgehobenen Verhandlungsposition gegenüber etwaigen Literaturverwertern bringen. Finanziell betrachtet, bewegt sich die schriftstellerische Existenz oft am Rande der Unmöglichkeit. Wer aber ernsthaft den Drang zum Schreiben in sich trägt, dem werden solche Aussichten egal sein müssen, weil eine andere Existenz nun einmal nicht geht. Nicht Schriftsteller sein – das ist völlig unmöglich.

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Ein Gedanke zu „Eine Existenz am Rande der Unmöglichkeit: Schriftsteller sein

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