Amazon: Über Ranking, Royalties und Rezensionen

Von den Bewertungen eines Buches bei Amazon hängt sein Schicksal ab. Das ist ein furioser Auftakt für diese Beitragsreihe, denn es klingt ziemlich drastisch. Nichts desto weniger trifft es zu. Anzahl und Güte der Sternchen und Meinungen beeinflussen die Kaufentscheidungen der Kunden und potentiellen Online-Käufer. Und natürlich entscheidet die Zahl der Käufe über das Ranking eines Titels und somit wiederum über die Sichtbarkeit. Und ohne Sichtbarkeit schließlich keine Käufe mehr, und ohne Käufe keine Sichtbarkeit. Und immer so weiter, bis das Buch eingegangen ist in das Nirvana des Vergessens. Traurig ist das.

Ob diejenigen Bücher, die sehr sichtbar sind, weil sie den meisten gefallen, auch wirklich unbedingt die besten sind, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. (Nein, sie sind es nicht.) In dieser kleinen Beitragsreihe geht es nur um den Ranking-Mechanismus (Teil 1) und die Arten der Buchkritik (Teil 3), wie sie bei Amazon gepflegt werden. Außerdem werden zwischendurch ein paar Denkmöglichkeiten durchgespielt (Teil 2), von denen ich nicht behaupten werde, dass sie der Realität entsprechen.

Teil 1: Amazons Ranking-Mechanismus

Zum Mechanismus sollte man sich eingehendere Gedanken machen. Sicherlich sollte man eigentlich bereits an dieser Stelle – und nicht erst weiter unten – Algorithmus anstatt Mechanismus sagen, aber ich bin in meinem Weltbild etwas antiquiert. Wie auch immer, zunächst scheint das hinter diesem Algorithmus oder Mechanismus stehende und in irgendeiner Form demokratisch wirkende Prinzip der Mehrheitsentscheidung eine gute Sache zu sein – vorausgesetzt, man findet das demokratische Prinzip, dass Mehrheiten das Schicksal von Minderheiten gewissermaßen mitbestimmen, grundsätzlich richtig. Das ist Ansichtssache; es lassen sich gute Gründe dafür und gute Gründe dagegen finden. Man kann das aber also erst einmal durchaus grundsätzlich begrüßen, wenn man denn ein Befürworter dessen ist.

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Die Algorithmen

Schwierig wird es jedoch dadurch, dass die Ranking-Algorithmen von Amazon mit ins Spiel kommen. Man müsste wohl besser sagen, dass sie nicht ins Spiel kommen, sondern das Spiel definieren. Niemand weiß, wie diese Algorithmen genau funktionieren – außer Amazon selbst. Man kann nur Vermutungen anstellen auf der Grundlage von Erfahrungswerten.

Verkaufszahlen und Bewertungsqualität

Es ist eine Kombination aus der Anzahl von Käufen (sowohl insgesamt als auch innerhalb eines bestimmten Zeitraums) sowie der Anzahl der Bewertungen und dem durchschnittlichen Bewertungsergebnis, die über das Ranking und auch die Sichtbarkeit eines Titels bei Amazon entscheiden. Angeblich spielt mittlerweile auch die Qualität der Bewertungen respektive ´Buchrezensionen´ mit ein, welche wiederum dadurch eingeschätzt wird, wie viele Kunden die entsprechende Rezension „hilfreich“ fanden.

Mutter Amazon behütet ihre Kindle

Einfluss dürften darüber hinaus auch noch der Kaufpreis, die ´Zugehörigkeit´ eines Buches sowie weitere strategische Marketingüberlegungen seitens Amazon nehmen. Mit ´Zugehörigkeit´ ist u. a. gemeint: es fällt auf, dass Amazon eigene Produkte, so zum Beispiel CreateSpace-Bücher oder Kindle-Select-eBooks oftmals bevorzugt behandelt. Etwa ein Drittel der aktuellen Kindle-Top-100 sind Titel von Kindle-Select-Autorinnen und -Autoren, also solche Werke, die ausschließlich bei Amazon veröffentlicht werden und nirgends sonst. Das spricht eine deutliche Sprache. Nicht, dass Selfpublisher nicht in der Lage wären, gute Bücher zu schreiben. Aber wenn wir einmal ehrlich sein wollen, ist auch sehr viel Schlechtes dabei.

Wettbewerbsverzerrende Maßnahmen

Amazon sorgt mit speziellen Werbemaßnahmen für mehr Sichtbarkeit der ´eigenen´ Produkte und begünstigt auf diese Weise deren Absatzchancen. Für die entsprechenden Autorinnen und Autoren ist es natürlich eine erfreuliche Angelegenheit, auf diese Weise gegenüber den Verlagspublikationen protegiert zu werden. Aber im Sinne eines fairen und ausgeglichenen Wettbewerbs ist eine solche Bevorzugung bestimmter Produkte nicht, und die Aussagekraft einer Kindle-Top-100-Liste ist mit Vorsicht zu genießen. Man führe sich immer vor Augen, dass diese Liste in erster Linie erst einmal etwas über die Verkaufszahlen eines Buches aussagt – nicht unbedingt etwas über dessen literarische Qualität.

Aber natürlich: Amazon darf sein Geschäft nach eigenem Gusto führen, und es steht jedem frei, seine Bücher dort zu verkaufen oder nicht. Zumindest theoretisch. In der Praxis sprechen leider einige Gründe dafür, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.


In Teil 2 werde ich mir ein paar Gedanken darüber machen, wie bestimmte Phänomene in Hinblick auf Amazon und CreateSpace möglicherweise eventuell unter Umständen rein theoretisch gegebenenfalls erklärt werden könnten.

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6 Gedanken zu „Amazon: Über Ranking, Royalties und Rezensionen

  1. Ich kann dem Artikel, der Analyse wie den Folgerungen nur zustimmen. Aus meiner persönlichen Erfahung resultiert, dass ich z.B. brutal abgestraft werde für die Weigerung, als Self Publisher bei Create Space zu publizieren, und lieber zur deutschsprachigen Konkurrenz neobooks gegangen bin. Null Wahrnehmung, Null „Rezensionen“ etc. Meine Autorenseite dort habe ich scheinbar ganz umsonst angelegt. Und natürlich sind dann die Verkäufe entsprechend mau und der erwähnte Teufelskreis setzt ein.

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    1. Hallo Julia,
      vielen Dank – Dein Blog gefällt mir auch. Es schadet sicher nicht, wenn das gleiche Thema von verschiedenen Menschen mit notwendigerweise unterschiedlichen Perspektiven behandelt wird! Ganz im Gegenteil.
      Liebe Grüße zurück,
      Anton

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