Die gelungene Exposition, oder: Über die unauffällige Vermittlung von Informationen

Die ›Exposition‹ ist der Teil der Geschichte, der dem Leser Dinge erklärt oder die Welt der Geschichte vorstellt: wer Ihre Figuren sind, wie sie aussehen, was sie tun, was sie zu erreichen hoffen und unzählige Details der Welt, in der sie leben.

Wenn man über eine fremde Welt schreibt, über einen Ort, an dem Magie existiert, oder über eine Gruppe von Charakteren mit einer komplizierten Geschichte aus Verrat und Lügen, muss man gut darin sein, zu erklären, was vor sich geht. Die Kunst dabei ist, dem Leser Dinge zu erklären, ohne dass er es merkt.

Eine versteckte Exposition ist eine gute Exposition

Früher konnte man einen langen Prolog schreiben, in dem ein Erzähler alles erklärte, was der Leser wissen musste. Heutzutage bevorzugen die meisten Leser (und Lektoren) den Realismus – sie wollen die Welt der Geschichte als ›real‹ betrachten. Nur wenige Dinge zerstören diese Illusion schneller als der Autor, der mehr oder weniger persönlich zur Tür reinschaut, um den Leserinnen und Lesern einen schnellen Überblick über die wichtigsten Fakten zu geben. Zwar gehöre ich nicht zu denjenigen, die einen Prolog in jedem Fall ablehnen, und glaube sogar, dass ein solcher manchmal ein effektives und bereicherndes Element sein kann. Doch in den meisten Fällen ist die jeweilige Geschichte besser ohne einen vorangestellten Prolog.

Für viele Autorinnen und Autoren ist der sogenannte ›Fallback‹ das Mittel der Wahl; ein Charakter, der dem Protagonisten – und damit auch den Leserinnen und Lesern – die Welt erklären soll (denken Sie beispielsweise an Morpheus in seinem Sessel, der die Matrix im gleichnamigen Film erklärt). Solche Figuren begegnen einem besonders häufig im Fantasy oder Science Fiction Genre. Die Gefahr besteht darin, dass es nicht die Hauptaufgabe solcher Charaktere sein darf, Erklärungen zu liefern. Wenn das der einzige oder eigentliche Existenzgrund der Figur ist, werden die Leserinnen und Leser es merken und sich fragen, was dieser Charakter davon abgesehen eigentlich in der Geschichte zu suchen hat.

Die Exposition muss sich ungekünstelt anfühlen; es müssen entweder Informationen sein, die auf natürliche Weise entstehen, oder etwas, das der Leser beim Verfolgen der Geschichte ›bemerkt‹. Beim Schreiben gibt es zwei Möglichkeiten, diese Art der ›unsichtbaren Exposition‹ herzustellen. Die erste ist ›Erzählung‹ und die zweite ›Dialog‹.

 

Exposition durch Erzählung

Die Exposition durch Erzählung ist schwierig, weil es keine Grenzen gibt – man kann dem Leser erzählen, was man will und wann man will; wie soll man wissen, wann man aufhören soll?

Lassen Sie Notwendigkeit, Relevanz und Glaubwürdigkeit Ihre Schlagworte sein. Was muss Ihr Leser im Moment wissen? Ist jetzt der beste Zeitpunkt, um Ihren Leser zu informieren? Wenn nicht, warten Sie mit den Informationen. Es ist besser, Details nach und nach preiszugeben. Diese stückweise Herangehensweise an die Exposition wird sich darüber hinaus für Ihre Leserinnen und Leser wesentlich natürlicher anfühlen, da kleine Details ein mehrschichtiges Verständnis aufbauen. Denken Sie daran, dass Sie der Gott Ihrer fiktiven Welt sind – Sie kontrollieren das Wetter, die Menschen und alles, was gesehen oder gehört wird.

Betrachten wir als Beispiel eine spezifische Information, die in drei verschiedenen Situationen weitergegeben wird. Nehmen wir als spezifische Information den Mythos, dass rote Autos mehr Strafzettel bekommen als Autos in anderen Farben.

Stellen Sie sich zunächst vor, Sie sitzen mit einem Freund auf einer Wiese. Sie machen ein Picknick, und während Ihr Freund Ihnen eine Banane gibt, sagt er Ihnen ganz beiläufig, dass rote Autos mehr Strafzettel bekommen als Autos in jeder anderen Farbe.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit einem Freund die Straße entlang. Ein rotes Auto fährt vorbei. Daraufhin wendet sich Ihr Freund an Sie und sagt Ihnen, dass rote Autos mehr Strafzettel bekommen als Autos in jeder anderen Farbe.

Stellen Sie sich schließlich vor, Sie denken daran, ein Auto zu kaufen. Sie erwähnen dies einem Freund gegenüber, und dieser rät Ihnen, kein rotes Auto zu kaufen, weil rote Autos mehr Strafzettel bekommen als Autos in jeder anderen Farbe.

Im ersten Beispiel ist Ihr Freund ziemlich seltsam. Im zweiten Beispiel teilt Ihnen Ihr Freund eine Tatsache von zweifelhaftem Interesse mit. Im dritten Beispiel aber ist die gegebene Information möglicherweise hilfreich – vorausgesetzt, es ist etwas Wahres daran. Die Informationen, die zur Verfügung gestellt werden, sind jedes Mal gleich. Was also verursacht die Diskrepanz?

Die Antwort ist: die Relevanz dessen, was gesagt wird. Informationen, die für den Moment relevant sind, werden erwartet und fühlen sich daher viel weniger fehl am Platz an, wenn sie mitgeteilt werden. Aus diesem Grund geben die meisten Autoren instinktiv Figurenbeschreibungen in dem Moment, in dem eine Figur vorgestellt wird; es ist der Moment, in dem diese Informationen am relevantesten sind.

Das Problem ist, dass viele Autoren dazu tendieren, den Leserinnen und Lesern zu viele Informationen auf einmal mitteilen zu wollen. Anstatt nach dem Moment der größten Relevanz zu suchen, suchen sie nur nach der nächstbesten Gelegenheit, ihre Informationen loszuwerden.

Das folgende Beispiel ist symptomatisch: Eine Frau betritt den Raum, und der Leser erhält eine physische Beschreibung (daran ist nichts auszusetzen), und dann einen kurzen Überblick über ihr Berufsleben (es zieht sich), einschließlich eines mysteriösen Vorfalls, der später für die Handlung relevant sein könnte (warten Sie, waren wir nicht mitten in einer Szene?) sowie einer kurzen Checkliste ihrer Vorstandskollegen, von denen wir eines früher in der Geschichte bereits getroffen haben (wo waren wir ursprünglich nochmal stehengeblieben?).

Dies fühlt sich nicht nur erzwungen an, sondern lässt den Autor sich meilenweit von seinem Ausgangspunkt entfernen. Es ist wichtig, die Grenzen zu kennen und im Auge zu behalten, was eine Szene aushalten kann. Wenn die Relevanz nicht von sich aus gegeben ist, sollte man manche Informationen besser zurückhalten, anstatt die vorhandene Szene damit zu belasten.

Dies ist besonders wichtig in der Ich-Erzählung. Hier müssen Sie wirklich darüber nachdenken, warum ein Charakter über eine Welt und eine Reihe von Beziehungen nachdenkt, die er bereits versteht bzw. kennt. Mit wem spricht die Figur? Wenn sie zu sich selbst spricht, müssen Sie sich fragen, ob es wirklich glaubwürdig ist, dass sie die Bedingungen ihrer Welt wiedergibt? Es lohnt sich zu überlegen, ob man eine Art Rechtfertigung für solche inneren Monologe einfügen kann, wie zum Beispiel ein Tagebuch oder einen imaginären Freund.

Aber nicht jede Figur ist mit sich allein. Und das eröffnet die schöne Möglichkeit, den Leserinnen und Lesern Informationen über einen Dialog mitzuteilen.

 

Exposition durch Dialog

Exposition durch Dialog ist von Natur aus realistischer und organischer als Exposition durch Erzählung. Das eine (Erzählung) ist eine körperlose Stimme, die den Leser darüber informiert, was vor sich geht, während das andere (Dialog) ein Gespräch zwischen ›echten‹ Menschen in der Geschichte ist. In der Praxis gibt es zwei Arten von Expositionen durch Dialog, und die eine ist schwieriger als die andere.

 

Fall 1

Die einfachere Form der Darstellung im Dialog ist der Austausch von Informationen, die nicht alle Charaktere kennen. In dieser Situation muss die eine Figur einfach ihre Unkenntnis deutlich machen, und eine andere Figur kann daraufhin genau erklären, was vor sich geht. Die größte Herausforderung besteht darin, dass sich dieser Austausch realistisch anfühlen soll – d.h. nicht zuzulassen, dass die wissende Figur zu dozierend oder die unwissende Figur zu unbedarft wirkt.

Viele Geschichten, vor allem im Fantasy-Bereich, lassen genau aus diesem Grund deshäufigeren neue Figuren in eine etablierte Umgebung eintreten. Die anderen Figuren müssen dem Neuankömmling (und damit den Lesern) die Besonderheiten des Settings erklären.

 

Fall 2

So einfach und natürlich es ist, Ihre Figuren einem Neuankömmling innerhalb der Geschichte etwas erklären zu lassen, so schwierig kann es sein, dem Leser über einen Dialog etwas zu erklären, was bereits alle involvierten Charaktere wissen. Schlecht gemacht, sind diese Stellen die am schwersten erträglichen in einer Geschichte – der Moment, in dem zwei Charaktere Dinge sagen, die sie nie laut sagen würden, eindeutig allein zum Nutzen eines unsichtbaren Lesers.

Wenn es darum geht, Charaktere dazu zu bringen, Informationen zu wiederholen, die jeder bereits hat, ist Konflikt der Schlüssel. Verschärfen Sie den Konflikt, und die Exposition kann als Rhetorik getarnt werden. Jede gute Exposition wird verschleiert, indem sie dramatisiert wird – durch die Einführung von Konflikten. Das Verlangen sollte in der Erzählstruktur immer durch ein gegenteiliges Verlangen konterkariert werden, und das wiederum schafft den Konflikt, den das Drama braucht. Die Exposition funktioniert, wenn es sich um ein Werkzeug handelt, mit dem ein Charakter seinen Wunsch erfüllt. Wird dieser Wunsch mit Widerständen konfrontiert, entsteht Konflikt, und die Exposition wird unsichtbar. Je größer der Konflikt, desto weniger sichtbar ist die Exposition. Dies gilt nicht nur für den Austausch von bisher bekannten Informationen, sondern für alle Arten von Exposition. Wenn Sie Konflikte einführen, machen Sie Informationen über diesen Konflikt relevanter denn je und ziehen gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Lesers an anderer Stelle auf sich.

Und wenn Ihre Charaktere sich in keinem Konflikt befinden? Stellen Sie einen her! Lassen Sie eine schlecht formulierte Bemerkung den wunden Punkt von jemandem treffen, lassen Sie jemanden ein Missverständnis erzeugen, oder erfinden Sie eine vorher bereits bestehende Meinungsverschiedenheit. Denken Sie daran: je mehr ein Charakter wirklich einen Punkt beweisen will, desto realistischer wird seine Darstellung sein – und umso glaubwürdiger und natürlicher wird sich die Mitteilung vorhandener Informationen für Ihre Leserinnen und Leser anfühlen.

Abschließend

Das Beste, was Sie für Ihre Exposition tun können, ist Übung – schreiben Sie ein paar Szenen, in denen es darum geht, die Exposition so subtil wie möglich zu gestalten. Wenn Sie es richtig machen, werden Ihre Leserinnen und Leser nicht einmal bemerken, dass sie Informationen aufnehmen, und gleichzeitig wird Ihre Geschichte an Glaubwürdigkeit und Dichte gewinnen.

Die Exposition sollte so gestaltet werden, dass sie sich natürlich anfühlt; nämlich dadurch, dass es einen direkten Grund für die gegebenen Informationen gibt. Eine gute Exposition sollte sich nicht wie ein gesonderter Teil der Geschichte anfühlen, sondern wie ein Erlebnis darin.

 

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