Die Macht des Settings – Wie Sie es für Ihre Geschichte nutzen können

Das Setting ist eines der am wenigsten bewusst genutzten Elemente, die einer Autorin oder einem Autor zur Verfügung stehen. Obwohl die Ausgestaltung des Settings vermutlich vielen Autoren weniger Spaß macht als Action oder Dialog, ist dieses Mittel sehr vielseitig und kann viel für Ihre Geschichte und Ihre Charaktere tun.

Falls Sie sich nicht besonders darum bemühen, es bewusst zu vermeiden, werden alle Ihre Geschichten eine Art Setting haben. Tatsächlich ist es sogar wahrscheinlich, dass Sie bereits das Setting dazu verwenden, die Themen und den Tonfall Ihrer Geschichte zu unterstützen, auch wenn Sie es nicht wissen. Dies geht auf den sogenannten »pathetischen Trugschluss« zurück, zu dem wir Menschen naturgemäß tendieren.

Der pathetische Trugschluss

Der pathetische Trugschluss beschreibt das Phänomen, dass menschliche Emotionen, Stimmungen und Verhaltensweisen mit nichtmenschlichen Erscheinungen in der Natur in Verbindung gebracht werden. Meistens geschieht das subtil und drückt sich darin aus, dass das Setting einer Geschichte an die jeweils beabsichtigte Stimmung angepasst wird. Glückliche Ereignisse passieren in der Sonne, während miserable Charaktere im Regen und in der Dunkelheit herumschleichen (siehe z. B. Gotham City). Die meisten Geschichten verwenden bis zu einem gewissen Grad den pathetischen Trugschluss, wenn auch nicht immer so (klischeehaft) ausgeprägt, wie beispielsweise das Unwetter mit Blitz und Donner, wenn ein wahnsinniger Wissenschaftler seine unheilige Schöpfung ins Leben ruft.

Dies hat wenig Grundlage im Realismus, und doch hat es scheinbar ein so angeborenes Gefühl der Richtigkeit, dass die meisten Leserinnen und Leser sich nie die Frage stellen werden, warum das Wetter in der Geschichte immer perfekt der Handlung dient.

 

Stimmungsvolles Wetter

Während das Ausmaß von Mensch zu Mensch variiert, zeigt die Wissenschaft, dass unsere Stimmung vom Wetter beeinflusst wird. Da wir mehr zum Glück neigen, wenn es sonnig ist, erkennen wir unbewusst eine Verbindung zwischen Sonnenschein und Glück und akzeptieren die fehlerhafte Rückwärtslogik, dass glückliche Szenen in die Sonne ›gehören‹.

Diese Logik erstreckt sich auch auf Orte, an denen wir uns sicher oder bedroht fühlen. Lebenserfahrungen sind nicht an den Ort gebunden, Liebe und Konflikte können überall auftreten, und doch hat jeder Leser ein Verständnis davon, wo Handlungspunkte ›natürlich‹ stattfinden.

Für die Autorin oder den Autor bedeutet dies, dass es bestehende Konventionen hinsichtlich des Settings gibt, mit denen die Erwartungen und Erfahrungen der Leser gesteuert werden können.

Vorbereitung des Lesers

Da Wetter und Umgebung den emotionalen Ton und die Handlung der Erwartungen eines Lesers bestimmen, sind sie eine subtile Art und Weise, die Kernthemen und Ereignisse in Ihrer Geschichte zu verstärken. In »Wuthering Heights« untersucht Emily Brontë den Wert der Liebe und die verheerenden Folgen ihrer Abwesenheit. Die Geschichte spielt in den North York Moors, einer Gegend, die die Schlüsselthemen des Buches vermittelt, noch bevor der Leser die Hauptfiguren trifft.

Die Moore werden als schönes, aber gefährliches Gelände gezeigt. Aus der Sicherheit eines Hauses aus betrachtet, erscheinen die Moore unberechenbar, oft sind sie schrecklichen Stürmen ausgesetzt. Das Wandern auf den Mooren ist ein Abenteuer, aber eines, von dem man vielleicht nicht zurückkehrt. Brontë nutzt das Moor als Metapher für menschliche Leidenschaft und erklärt vor diesem Hintergrundsetting ihre Charaktere und ihre Welt. Die Leser werden im Verlauf des Buches feststellen, dass das Wesen des Heathcliff dieser Naturbeschreibung sehr ähnlich ist.

Auf diese Weise können Schriftsteller die Leser ihre Handlung akzeptieren lassen, bevor sie überhaupt begonnen hat. Wenn Ereignisse oder Charaktere dem Setting entsprechen, erkennen die Leser diese Korrelation als tiefe Wahrheit. Dies ist ein Schlüsseltool in der Werkzeugkiste des Schriftstellers – und kann sogar umgekehrt verwendet werden.

 

Umkehrung des Prinzips

Sie werden bereits ahnen, dass die unhinterfragte Anwendung dieser Technik immer auch die Gefahr in sich birgt, gewisse klischeehafte Bilder zu erzeugen. Daher kann es manchmal ratsam sein, die Kulisse und die Handlung gleichsam einander gegenüberzustellen. Ein Mord kann beispielsweise sehr viel schockierender und vor allem überraschender wirken, wenn er bei schönstem Sonnenschein im Park geschieht, anstatt in der dunklen und feuchten Kanalisation unter der Stadt. Denn jetzt weiß der Leser, dass die Figuren nirgendwo sicher sind.

Wenn Ihr Setting im Widerspruch zu den Ereignissen steht, die darin auftreten, entsteht ein Spannungseffekt; der Leser fühlt sich verunsichert. Dieses Mittel ist insbesondere im Genre Krimi und Thriller hinsichtlich seiner Effektivität nicht zu unterschätzen.

Im Grunde kommt eine solche Umkehrung des Prinzips auch zum Tragen, wenn sich die Hauptfiguren in romantischen Geschichten im Regen küssen. Das Setting ist der Romantik eigentlich nicht förderlich, und so erweckt es im Falle einer Romanze den Eindruck, dass die Emotion so ausgeprägt ist, dass sie die Grenzen des ›Wie die Dinge funktionieren‹ überschritten hat. Auf der anderen Seite wurde dieses spezielle Beispiel bereits so oft verwendet, dass der Regen in einer romantischen Geschichte mittlerweile zum etablierten Setting (und beinahe zum Klischee) geworden ist und vielen Leserinnen und Leser bereits als Hinweis auf einen bevorstehenden Kuss zwischen Protagonist und Protagonistin dient.

 

Abschließend

Setting kann verwendet werden, um den Ton zu bestimmen, Charaktere zu entwickeln oder dramatische Momente zu verstärken.

Die natürliche Welt wird als wahrhaftig angesehen, und doch liegt ihre Darstellung vollständig in den Händen des Autors, so dass sie perfekt geeignet ist, die Regeln einer Geschichte oder Welt zu vermitteln.

Moraltheorien sind für jeden unterschiedlich, Charaktere werden je nach Leser unterschiedlich wahrgenommen, aber das Setting bietet dem Autor einen sofort verständlichen und unbestrittenen Standard, mit dem der Rest der Geschichte verstanden werden kann.

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