Während ich in dem Beitrag „Die VG Wort: Ein warmer Geldregen für die schreibende Zunft“ die Einrichtung und das Prinzip der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort vorgestellt habe und die Vorzüge dieses Systems gelobt habe, möchte dieser Beitrag nun etwas ansprechen, was kritikwürdig ist. Das möchte ich unter anderem am Beispiel eigener Erfahrungen tun.
1) Das Prinzip Zählmarken
Um für einen Text im Internet über die VG Wort Geld erhalten zu können, muss man in den HTML-Code der Seite, auf der der Text erscheint, eine sogenannte „Zählmarke“ der VG Wort einbauen. Dabei handelt es sich um ein ´unsichtbares Bild´. Unsichtbar ist es deshalb, weil es winzig ist, nämlich lediglich ein Pixel breit und hoch. Dieses ´Zählpixel´ wird also in die eigene Seite eingebunden, die dazugehörige Datei liegt aber auf einem Server der VG Wort, so dass auf diese Weise gezählt werden kann, wie oft das Zählpixel von dem Server der VG Wort abgerufen wird.
KRITIK: Grundsätzlich lässt sich hier bereits kritisch anmerken, dass dieser manuelle Einbau einer Zählmarke in den HTML-Code nicht unbedingt die allereleganteste Lösung ist. Aber gerade bei WordPress gibt es dafür Plugins, die einem diese Arbeit abnehmen können, zum Beispiel das Prosodia VG Wort Plugin oder das Worthy VG Wort Plugin. Insofern kann man damit leben.
2) Das Prinzip Meldung
Wenn ein Text, in dem eine Zählmarke korrekt eingebunden ist, die nötige Mindestzugriffzahl erreicht hat, um für die Tantiemenausschüttung über die VG Wort relevant zu sein, erhält man im Juni des auf das ausgewertete Kalenderjahr folgenden Jahres eine Information seitens der VG Wort per Mail darüber, dass man „meldefähige“ Texte in seinem T.O.M. („Texte Online Melden“) Account hat. Nun ist es Sache der Autorin bzw. des Autors, die entsprechenden Texte im eigenen Account ausfindig zu machen und entsprechende Ansprüche auf Tantiemen bei der VG Wort geltend zu machen. Das ist die sogenannte „Meldung“, ein sehr mühseliger und zeitaufwendiger Prozess.
KRITIK: Wenn die VG Wort doch ganz offensichtlich weiß, dass es in meinem Account meldefähige Texte gibt (sonst würde sie mich darüber ja nicht per Mail informieren), wozu ist dann eine Meldung meinerseits überhaupt noch nötig? – Wenigstens in dem (vermutlich nicht allzu seltenen) Fall, dass Autor und Webseiten-Betreiber identisch sind, sollte es eigentlich ausreichend sein, dass eine Zählmarke in der entsprechenden Website seitens des Webseitenbetreibers/Autors eingebaut wurde. Es wäre schön, wenn man in einem solchen Fall automatisch in den Genuss einer Tantiemenausschüttung käme, ohne etliche Stunden seiner Zeit erübrigen zu müssen, um die entsprechenden Texte noch einmal manuell über das Eingabeformular der VG Wort zu melden.
3) „Spezialfall SSL Zählung“
Bei diesem Kritikpunkt komme ich nun zu meinen eingangs erwähnten persönlichen Erfahrungen, die als Beispiel zur Veranschaulichung dienen sollen.
indieautor.com ist kein gigantischer Blog, aber er hat mittlerweile doch eine gewisse Relevanz bekommen, was sich auch an der stetig wachsenden Abonnenten-Zahl ablesen lässt. Darum haben einige Texte meines Blogs laut der internen Statistik, die ich in meinem Backend aufrufen kann, die Mindestzugriffzahl pro Text und Kalenderjahr erreicht. Nachdem ich das gesehen hatte, habe ich (zum ersten Mal) meine verwendeten Zählmarken im T.O.M.-Portal der VG Wort aufgerufen, um mir einen Überblick zu verschaffen darüber, was dort angezeigt wird. Denn die Website-Statistik und die Statistik der VG-Wort-Zählung stimmen nicht unbedingt miteinander überein. Das ist schon alleine deshalb so, weil die VG Wort ausschließlich Aufrufe der entsprechenden URL des Textes innerhalb Deutschlands zählt. Wird der Text also zum Beispiel von jemandem aus Schweden aufgerufen, ist dies für die VG-Wort-Zählung unerheblich.
Jedenfalls ergaben sich bei mir angesichts der Auflistung meiner Zählmarken ein paar Fragen, weswegen ich mich an den Support der VG Wort gewandt habe. Das war sehr gut, weil ich auf diese Weise erfuhr, dass bei mir „die Zählung ja nicht korrekt läuft“, weil ich die Zählmarken nicht auf SSL umgestellt habe. What?! Da habe ich also nach etwa zweieinhalb Jahren, in denen ich immer wieder frohgemut Zählmarken in den HTML-Code meiner Beiträge eingebunden habe, mehr oder weniger durch Zufall erfahren, dass die Zählung durch diese Zählmarken nur mangelhaft funktioniert hat… Ein bisschen geärgert habe ich mich darüber natürlich schon.
Es war also sehr naiv von mir gewesen zu glauben, dass man die von der VG Wort zur Verfügung gestellten Zählmarken einfach so verwenden könnte und dann würde es funktionieren. Nein, man muss die Zählmarken in solchen „Spezialfällen“ wie meinem also nicht nur in den HTML-Code einbauen, sondern zuvor auch noch manuell abändern. Das allerdings erfährt man nur, wenn man eben nicht darauf vertraut, dass die Zählmarken, die man von der VG Wort erhält, funktionieren, sondern wenn man zuvor eine 42seitige PDF-Broschüre zur Verwendung der Zählmarken durchliest. Oder aber man erfährt es, wie in meinem Fall, zufällig und beiläufig von einer netten Mitarbeiterin der VG Wort selbst – wenn man Pech hat, leider erst nach ein paar Jahren, in denen einem evtl. schon einige mögliche Tantiemen entgangen sind.
KRITK: Die Kritik dürfte offensichtlich sein. Dass eine SSL-verschlüsselte Website bei der VG-Wort-Zählung als „Spezialfall“ behandelt wird, ist nicht mehr ganz zeitgemäß, da eine solche Verschlüsselung doch langsam zum Standard wird bzw. geworden ist. Es wäre daher sinnvoll, bereits im Prozess der Zählmarkenbestellung explizit darauf hinzuweisen, dass die „normalen“ Zählmarken auf https-Seiten nicht funktionieren. Am besten wäre es sicherlich, von vornherein entsprechend ´fertige´ Zählmarken für gesicherte Seiten anzubieten. Diese manuelle Abänderung ist doch eine ziemlich umständliche und lästige Sache.
4) Korrekter Einbau
Manchem ist vielleicht weiter oben bereits die Formulierung „korrekt eingebunden“ aufgefallen. D. h., es ist noch nicht damit getan, eine (evtl. abgeänderte) Zählmarke in den html-Code der Seite, auf der sich der Text befindet, einzubinden. Man muss dabei auch noch ein paar Dinge beachten, um sicherzugehen, dass eine korrekte Zählung erfolgen kann. So zum Beispiel sollte man das Zählpixel besser am Ende eines Textes einbauen als am Anfang der Seite. Außerdem gibt es (insbesondere in WordPress) PlugIns, die die Zählung ebenfalls beeinträchtigen können. Noch weitere Punkte wären erwähnenswert, die sich aber alle besser in der oben bereits erwähnten und hier nochmals verlinkten 42seitigen PDF-Broschüre nachlesen lassen.
KRITIK: Ich glaube, dass ich dazu nichts mehr sagen muss.
Fazit
Wenngleich ich dabei bleibe, was ich in meinem ersten Artikel zur VG Wort geschrieben habe, nämlich dass es sich bei der Institution VG Wort um eine gute Sache handelt, ist das ganze damit verbundene Procedere eine sehr umständliche Sache. Der Aufwand, der betrieben werden muss, um in den Genuss einer Tantiemenausschüttung zu kommen, ist beinahe unverhältnismäßig groß. Es hat fast den Anschein, als wolle die VG Wort es den Autorinnen und Autoren extra schwer machen – vielleicht, um die Zahl der Wahrnehmungsberechtigten auf diese Weise überschaubar zu halten. Ich kann jedenfalls nachvollziehen, wenn jemand nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, weil ihm oder ihr angesichts des Aufwands, sich damit auseinanderzusetzen, einfach die Lust vergeht. Die technische Umsetzung der Zählung seitens der VG Wort ist wenig elegant und wirkt nicht mehr zeitgemäß.
Es wäre an der Zeit, das Ganze zu überarbeiten und viel unnötigen Ballast über Bord zu werfen, um eine Teilnahme an diesem Ausschüttungssystem sowohl lukrativ als auch komfortabel zu gestalten. Es wäre schön, wenn die VG Wort dadurch wirklich das wäre, was sie sein könnte: Eine rundum gute Sache.