Als Autorin oder Autor erwägt man irgendwann die Möglichkeit, Lesungen zu veranstalten. Und was wäre näherliegend, als eine solche Lesung in einer Buchhandlung stattfinden zu lassen? – Nun, zum Beispiel das eigene Wohnzimmer, der Schrebergarten, der Stadtpark, die Kneipe umme Ecke, die stillgelegte Zeche, offenbar eigentlich alles…
Die meisten Buchhandlungen werden mit unbekannten Autorinnen und Autoren keine Lesungen organisieren wollen. Das habe ich schon einmal selbst erfahren, als ich in einer bekannten und schönen Buchhandlung in Essen anfragte. Es ging dabei noch nicht einmal um mich selbst.
Die Idee
Ich habe einen Blogger-Kollegen, der einen wirklich guten Roman geschrieben hat, in dem es im Wesentlichen um Oscar Wilde und Knut Hamsun geht. Dieses Buch hatte ich gelesen und auch rezensiert (die Rezension findet man noch immer auf indieautor.com und auf bookwatch.de). Es ist wirklich ein ganz feines und interessantes Werk, erschienen in einem kleinen Independent-Verlag, in schön gestalteter Hardcover-Ausgabe. Und ich hielt es für eine gute (und auch sehr nette) Idee von mir, einmal in meiner Heimatstadt nach einer Möglichkeit für eine Lesung dieses Autors zu suchen. Meine Wahl fiel auf eben jene Buchhandlung (benannt nach einem bekannten französischen Autor), weil diese nicht zu einer der großen Buchhandelsketten gehört, sondern inhabergeführt ist. Außerdem hatte sie sich in der Vergangenheit ausgezeichnet durch große Rührigkeit im kulturellen Veranstaltungsbereich, gepaart mit einem recht sicheren ästhetischen Geschmack. Aus diesen Gründen kam ich zu der Ansicht, dass hier eine sehr passende Verbindung herzustellen wäre. Zumal der Autor des Buches seinerseits zu allem Überfluss des Guten auch noch selbst gelernter Buchhändler ist.
Die Ablehnung
Das Resultat meiner Anfrage war sehr ernüchternd. Es war, als würde bei der Besitzerin der Buchhandlung, die ich ansprach, ein Hebel umgelegt, sobald sie ahnte, worauf meine Anfrage hinauslaufen sollte. Ich kam kaum dazu, meinen Satz zu Ende zu sprechen, da kamen schon die ersten ablehnenden Signale. Sie ließ mich nicht wirklich erklären, um was es sich genau handelte, sondern zeigte sich umgehend kategorisch ablehnend. Der Zug war bereits abgefahren, noch bevor irgendwer hätte einsteigen können. Die gute Frau warf einen flüchtigen Blick auf das Buch, das ich zeigen wollte. Sie kannte den Verlag nicht. Ihre Reaktion: »Das ist doch auch so ein selbstveröffentlichtes Buch.« Ich sagte, nein, es sei ein Buch aus einem offiziellen Verlag. (Und ich kam mir hier bereits ziemlich bescheuert vor, bei dem Versuch, eine Buchhändlerin von der Qualität eines Buches zu überzeugen, indem ich quasi beteuerte, dass es sich nicht um ein Selfpublisher-Buch handle…) Sie war nicht überzeugt, denn sie kannte den Verlag nicht. Ich erzählte ihr, dass der Autor selbst Buchhändler sei. Sie ließ sich nicht erweichen. Ich versuchte ihr nahezubringen, dass das Buch auch für Literaturwissenschaftler interessant sei (ich selbst bin schließlich einer), weil es Überlegungen zu gewissen Parallelitäten im Leben der beiden Schriftsteller Wilde und Hamsun aufzeige, die in dieser Form in der Literaturwissenschaft bisher nicht behandelt worden seien. Sie zeigte sich wenig interessiert.
Was sollte ich da noch machen? – Von Anfang an stand ich mit meinem Versuch auf verlorenem Posten, da konnten die Argumente noch so evident sein. Die Vorbehalte gegenüber Independent-Verlagen und – noch schlimmer – Selfpublishern sind selbst bei solchen unabhängigen Buchhandlungen oft noch immer schier unüberwindlich. Die Experimentierfreudigkeit und Offenheit gegenüber Neuem, noch nicht vom offiziellen Literaturbetrieb Abgesegnetem ist erschreckend und vor allem enttäuschend klein.
Das Fazit
Warum erzähle ich diese Anekdote? – Weil ich trotzdem glaube, dass Lesungen von Indie-Autorinnen und Indie-Autoren in Indie-Buchhandlungen prinzipiell eine sehr gute Möglichkeit sind bzw. wären. Man muss eben nur die richtigen Buchhandlungen dafür finden; solche, denen es wirklich um lebendige Literatur geht und um eine Förderung derselben. Nicht solche, die nur Veranstaltungen organisieren, die auch alle anderen machen – nämlich mit bekannten Verlagsautoren. Immer auf der sicheren Seite zu bleiben, ist ziemlich langweilig.
Suchen Sie also entsprechende, dem Neuen gegenüber aufgeschlossene, echte Indie-Buchhandlungen, in denen Sie Lesungen veranstalten können. Denn solche Lesungen können Ihnen nicht nur helfen, neue Leserinnen und Leser zu gewinnen (und vielleicht auch ein paar Bücher zu verkaufen), sondern sie können Ihnen auch Energie und Motivation geben. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man als Autorin oder Autor ernstgenommen und gewollt wird. Vielleicht entwickelt sich sogar eine Art freundschaftliche Partnerschaft mit Ihrer Lieblings-Indie-Buchhandlung, so dass Sie – eine vorhandene Fan-Base vorausgesetzt – hin und wieder Signierstunden in dieser einen Buchhandlung anbieten können.
Durch solche ›kleinen Events‹ profitiert auch der Buchhändler – denn das ist etwas, was die Kunden im Internet beim größten Online-Buchhändler nicht bekommen können. Die Buchhandlung kann mit solchen Angeboten wiederum auf ihrer Facebook-Seite oder auf Twitter werben, was sowohl für sie selbst als auch für die jeweilige Autorin bzw. den jeweiligen Autor von Vorteil ist.
Und auch wenn es schwer ist, Buchhandlungen für sich zu gewinnen: Eine Schlüsselkomponente und sozusagen ›Kernkompetenz‹, um als Selfpublisher erfolgreich zu werden, ist, beharrlich zu bleiben und anfängliche Niederlagen oder Ablehnungen nicht zu persönlich zu nehmen.
Es bleibt zu wünschen, dass die Buchhandlungen den Schritt in die Gegenwart vollziehen, sich von ihrem antiquierten Dünkel verabschieden und sich in Zukunft etwas offener und experimentierfreudiger gegenüber Indie-Verlagen und Indie-Autoren zeigen. Das ist etwas, was man zumindest von Indie-Buchhandlungen doch wohl auch erwarten können müsste.
Dieser Beitrag ist entnommen aus: »Professionelles Selfpublishing. Band Drei: Marketing« (erscheint im Juli 2019).