Keine Sorge, es geht hier im Folgenden nicht um irgendwelche dubiosen Angebote, wie Sie durch einfache Tricks viel Geld und Erfolg erlangen können.
Es ist eine ernstgemeinte Frage an Sie als Schriftstellerin bzw. Schriftsteller. Es ist eine Frage, die Sie sich vielleicht bisher noch nicht gefragt haben. Aber es ist eine wichtige Frage, deren Beantwortung möglicherweise offenbart, warum Sie noch keinen nennenswerten Erfolg erzielt haben. Die Antwort könnte Ihnen sagen, warum Sie diesen ersten Entwurf Ihres Romans einfach nicht ganz fertig stellen können, warum Sie wieder nicht zum Editieren oder Redigieren gekommen sind, oder warum es offenbar keinen Agenten oder Verleger auf der Welt gibt, der die Qualität Ihres Manuskripts erkennen kann und weiß, dass das die nächste große Sache sein wird.
Es ist keine einfache Frage und die Beantwortung könnte ein wenig unbequem sein, aber die gute Nachricht ist, dass Sie die Antwort nicht mit anderen teilen müssen. Also: Versuchen Sie wirklich, erfolgreich zu sein?
Die einfachste Frage der Welt
Die Antwort ist »ja«, richtig? Womöglich noch mit einem »natürlich« ergänzt. Natürlich ist die Antwort »ja«. Jeder Autor weiß, wie viel Aufwand das Schreiben erfordert. Die Entscheidung, sich hinzusetzen und Wörter auf die Seite zu setzen, ist manchmal einfach, aber meistens ist es ein mühsamer Kampf; sicherlich nicht die Art von Sache, die man tut, wenn man nicht wirklich versucht, seine persönlichen Ziele zu erreichen, sei es diese Veröffentlichung, ein Wettbewerbsgewinn oder einfach nur eine großartige Geschichte.
Aber trotzdem: ohne es wirklich zu wissen, geben Sie vielleicht weniger als Ihr ganzes Potential zum Erreichen Ihrer Ziele. Viele, wenn nicht die meisten Autorinnen und Autoren kämpfen damit bis zu einem gewissen Grad. Es ist ein Problem, über das wir nicht wirklich sprechen, und doch kann die Auseinandersetzung mit ihm der Schlüssel zu Ihrem Erfolg sein.
Lassen Sie uns die Frage also noch einmal anders stellen: Ist jeder Teil von Ihnen mit diesem Kampf des Schreibens, des Editierens, des Umschreibens, des Erhaltens von Feedback und Kritik, des Vermittelns Ihres Manuskripts beschäftigt? Oder gibt es etwas in Ihnen, das Sie zurückhält? Ist eine unsichtbare Hand auf Ihre gelegt, die Sie davon wegführt, wirklich Ihre Ziele umzusetzen?
Einige Autorinnen und Autoren werden an dieser Stelle sicher abermals schnell und einfach antworten können: natürlich versuchen sie wirklich, erfolgreich zu sein, und tun alles dafür, was in ihrer Macht steht. Aber unter ihnen sind diejenigen versteckt, die wissen, dass sie eigentlich mehr tun könnten. Doch selbst wenn sie das wissen, wissen sie in der Regel oft nicht genau, warum das so ist. Lassen Sie uns das untersuchen.
Die Angst vor dem Scheitern
Viele Autorinnen und Autoren fürchten das Scheitern. Ein Manuskript öffentlich zu machen, ist auch keine kleine Sache. Man wagt sehr viel. Sobald Sie mit dem Schreiben Ihrer Geschichte fertig sind, oder wenn Sie sie bearbeiten, oder wenn Sie sie verschicken, ist sie soweit, beurteilt zu werden; und das kann beängstigend sein. Es gibt viele Autoren, die nie wirklich nach ihren Zielen streben werden, weil sie zu viel Angst davor haben zu scheitern.
Dadurch gerät die Motivation der Künstler ist in eine schwierige Lage. Ich habe schon einmal darüber geschrieben, wie das Schreiben als Prozess ein scheinbar widersprüchliches Phänomen ist, weil es dazu angetan scheint, fertige Ergebnisse zu verhindern. Ein Buch zu schreiben, insbesondere wenn es Ihr erstes Buch ist, ist eine Aufgabe, auf deren Erfüllung niemand wartet. Niemand hat Sie beauftragt, dieses Buch zu schreiben. Niemand wird es bemerken, wenn Sie es nicht tun. Es ist daher kein Wunder, dass die Aussicht auf ein mögliches Scheitern so lähmend sein kann, dass die Fertigstellung des Manuskripts einfach nicht stattfindet. Wenn niemand auf das Buch wartet, kann die Frist der Vollendung ohne weiteres immer wieder verschoben werden.
Diese Art von Angst ist oft mit Verleugnung verbunden – das Aufschiebungsverhalten wird mit Perfektionismus und künstlerischer Weiterentwicklung erklärt. Das können gute Gründe sein, wenn sie wahr sind, aber sie verbergen oft ein Hemmnis, das vielleicht nie von selbst verschwindet. Und auch Perfektionismus muss irgendwann an seine Grenze kommen, wenn man etwas veröffentlichen möchte.
Aber es gibt auch das genaue Gegenteil des bisher behandelten Problems.
Die Angst vor dem Erfolg
Einige Autorinnen und Autoren sind wirklich gelähmt davon, wie beängstigend es wäre, erfolgreich zu sein. Denn Erfolg bringt eine Menge Verantwortung mit sich. Er stellt eine Herausforderung dar und erfordert Zeit, Mühe und Fertigkeiten, um ihn zu erhalten. Wenn das erste Buch erfolgreich war, muss das nächste mindestens genauso gut werden, um die Fans nicht zu enttäuschen. Und auch die Frage danach, was andere Menschen aus dem direkten Umfeld denken werden, kann sich Bahn brechen. Werden die Freunde und Kollegen, die das Bild eines kämpfenden und am Hungertuch nagenden Schriftstellers lieben, die gleiche Unterstützung für einen Autor zeigen, der erfolgreich ist und womöglich mit dem Schreiben von Büchern mehr Geld verdient als sie mit ihren richtigen Berufen? Wie wird es sein, wenn die ersten Literaturpreise gewonnen sind – wird dann die finanzielle Unterstützung seitens der Familie versiegen, obwohl man sie noch immer dringend benötigt, weil das Preisgeld gerade einmal für eine Monatsmiete reicht und zudem versteuert werden muss? Überhaupt: die Steuern. Wenn man nun plötzlich viel Geld mit dem Schreiben verdient, gibt es dann nicht eventuell arge Probleme mit dem Finanzamt?
Der Erfolg ist etwas, das immer auch erst morgen erreicht werden kann, also warum sollte man es nicht verschieben? Sie kennen die Antwort auf diese rhetorische Frage natürlich: morgen kommt nie.
Die Angst vor der ›Überholtheit‹
Was wäre, wenn Sie Ihr Buch fertig stellen, es veröffentlichen und dann erkennen würden, dass Sie es besser hätten machen können? Was wäre, wenn Sie Ihre besten Ideen an einem Punkt in Ihrer Karriere verbraucht hätten, an dem Sie ihnen nicht gerecht werden können? Schlimmer noch, was ist, wenn sich Ihre Überzeugungen ändern und Sie sich nicht mehr auf etwas festlegen können, das Sie einfach nicht mehr repräsentiert?
Das ist eine sehr berechtigte Angst – wenn sich Ihre Ideologie und Ihr Handwerk nicht während des Schreibens entwickeln, leisten Sie höchstwahrscheinlich schlechte Arbeit. Tatsächlich haben Sie fast garantiert recht damit: Sie können wahrscheinlich ein Manuskript noch besser machen, wenn Sie eine Weile warten und es noch einmal neu bearbeiten. Die Frage ist natürlich, wie viel besser man es machen kann und wie lange diese »kleine Weile« tatsächlich dauern wird. Ihre schriftstellerische Entwicklung wird nie aufhören. Sie werden nicht eines Morgens aufwachen und denken: »Oh, ich spüre deutlich: heute habe ich den Gipfel meiner Kräfte erreicht«.
Die Angst vor dem Scheitern und die Angst vor dem Erfolg befassen sich mit Möglichkeiten, aber die Angst vor der Überholtheit des Geschriebenen aufgrund der eigenen Weiterentwicklung wird mit ziemlicher Sicherheit wahr werden. Also, was können Sie dagegen tun? – Die einzige Antwort ist: versuchen Sie nicht, dasselbe Projekt immer besser und besser zu machen, sondern produzieren Sie immer bessere und weiterentwickelte Werke. Sie werden feststellen, dass, sobald Sie eine Idee abgehandelt und veröffentlicht haben, eine andere an ihrer Stelle wächst, komplexer noch und vollständiger Ihre Gedanken- und Bilderwelt repräsentierend. Sie können die Meinungen und Ideen Ihres alten Selbst nicht mehr abändern, sobald diese veröffentlicht sind, aber Sie können immer etwas Neues schreiben, das Ihrem aktuellen Selbst mehr entspricht. Schreiben ist eine Reise des Selbst, deren Stationen sich in Büchern manifestieren.
Selbst wenn Sie vielleicht nicht alles mögen werden, was Sie geschrieben haben, bedeutet das nicht, dass es sich nicht gelohnt hat, es zu schreiben – Ihre früheren Werke haben zu dem geführt, was Sie heute schreiben. Natürlich, wenn Sie auch das nicht mögen, was Sie heute schreiben, wird es schwierig. Aber dann bleibt immer noch die Hoffnung, dass es in Zukunft besser wird.
Terry Pratchetts »Schreibenwelt«-Serie umfasst über vierzig Romane, und obwohl es sicher eine Geschmackssache ist, würden die meisten wahrscheinlich zustimmen, dass seine frühen Werke weniger von seiner charakteristischen Stimme haben und im Allgemeinen etwas ›ärmer‹ sind als seine späteren Werke. Pratchett brauchte Buch für Buch, um sein Tempo und seine Stimme zu finden, aber sobald er sie gefunden hatte, setzte er sie konsequent ein.
Abschließend
Für einige wird dieser Beitrag keinen Nutzen haben, aber andere werden mit angehaltenem Atem auf die Lösung ihres Problems warten. Was muss man tun, um endlich wirklich erfolgreich zu werden?
Alles, was Sie tun können, ist zu erkennen, dass es möglicherweise ein Hemmnis auf Ihrem Weg zum erfolgreichen Schriftsteller gibt, und Ihre Handlungen dahingehend zu hinterfragen. – Halten Sie sich zurück bei der Bearbeitung, dem Teilen und Veröffentlichen Ihres Werkes, weil das bedeutet, dass Sie sich nicht mit dem möglichen Erfolg, Misserfolg oder der ›Überholtheit‹ vergangener Ansichten auseinandersetzen müssen? Vermeiden Sie eine solche Entwicklung auf einer unbewussten Ebene?
Denken Sie daran, dass Ihr Selbst hinterhältig ist und es niemanden gibt, der Sie besser austricksen kann als Sie selbst. Vielleicht ist Ihr Buch wirklich noch nicht bereit für den nächsten Schritt, vielleicht sind Sie wirklich zu beschäftigt, aber vielleicht ist das alles auch nur ein Vorwand. – Haben Sie einen realistischen Zeitrahmen für das, was als nächstes kommt, um Ihr Projekt abzuschließen und zu veröffentlichen? Haben Sie wirklich darüber nachgedacht, wie Sie das umsetzen können? – Denn das ist die Art und Weise, wie man wirklich versucht, als Schriftstellerin oder Schriftsteller erfolgreich zu sein.
Niemand sagt, dass Scheitern nicht möglich ist oder dass Erfolg keine Last sein kann, aber die oben beschriebenen Hemmnisse können nicht nur Monate, nicht nur Jahre, nicht nur Jahrzehnte, sondern Ihre gesamte Karriere als Schriftstellerin und Schriftsteller zunichtemachen. Das ist eine Tragödie, die schlimmer ist als alles andere, was Ihnen als Autor passieren kann, und obwohl es viel Mühe kosten wird, Ihre persönlichen Hemmnisse aufzudecken und zu überwinden, ist es die Mühe definitiv wert.
Es ist etwas, das Sie für sich selbst durcharbeiten müssen, aber es gibt einige gute Ansatzpunkte, die Sie dabei unterstützen können. Zeitpläne und Gruppen können dabei helfen, und Sie können »8 Schritte, ein Buch zu beginnen und zu beenden« lesen und »Ein Akt der Überwindung: Das eigene Manuskript für fertig erklären« oder auch die »Tipps zur Bearbeitung des eigenen Manuskripts«. Und erfahren Sie ergänzend zu diesem Beitrag etwas über »Die Liebe zum Schreiben – und ihre Gefahren«.